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„Vom Frühling direkt in den Winter – für die Bienen steht die Welt am Kopf“

Eine Notiz zu spätblühenden Zwischenfrüchten in Oberösterreich.

Zur aktuellen Situation

Phacelia in Vollblüte am 2. November 2018
© Karl Neubauer
Derzeit (Oktober/November 2018) gibt es Massentrachten besonders von Phacelia, aber auch von Senf und Ölrettich. Durch die milden Temperaturen tragen die Bienen teils große Mengen an Nektar und Pollen ein.
Das führt dazu, dass die Bienenvölker „verhonigen“. Die Völker wurden größtenteils bereits im August eingefüttert, das heißt, mit ausreichend Winterfutter versorgt. Wichtig dabei ist, dass nicht zuviel Futter gegeben wird, also der eigentliche Sitz der späteren Wintertraube frei bleibt. Diese Wabenbereiche mit leeren Zellen sind wichtig für das spätere Temperaturmanagement während der kalten Perioden (die leeren Zellen ermöglichen es den Bienen, im Zentrum der Bienentraube eine Temperatur von rund 20°C zu halten).
Durch die derzeitigen Blütentrachten werden diese Zellen mit Nektar/Honig angefüllt. Das Volk hat damit einen „kalten Wintersitz“, was letztlich dazu führen kann, dass das Volk die Temperaturregulation nicht mehr schafft. Je nach Wintertemperaturen kann das bis zum Absterben des Volkes führen. Meist kommen durch die extreme Stresssituation auch noch Darmkrankheiten (zB Ruhr) dazu.
Besonders gravierend ist, dass die Bienenvölker völlig von ihrem natürlichen Entwicklungsrhythmus abgebracht werden. Sie bauen Waben, sogar Drohnenwaben, und die Königin belegt diese mit Eiern (Drohnenbrut). Wie im Frühling (April, Mai)!! Theoretisch könnte man jetzt Königinnen züchten und erfolgreich begatten lassen. Eine völlig abstruse Situation.
Normalerweise bereitet sich das Bienenvolk im Herbst (September, Oktober) mit abnehmender Tageslänge und abnehmender Temperatursumme sowie abnehmendem Trachtangebot auf den Winter vor. Dem natürlichen Rhythmus entsprechend wird Ende Juli die Aufzucht der Drohnen beendet und im August werden die Drohnen „abgetrieben“, weil sie nicht mehr gebraucht werden und nur die weitere Vorbereitung auf den Winter behindern würden
Jetzt haben wir zwar ähnliche Tageslängen wie im April und Mai, aber hohe Temperatursummen und vor allem ein überbordendes Angebot an Nektar und Pollen. Für die Bienen ist derzeit Frühling! Und sie reagieren entsprechend. Sie bauen neue Waben und ziehen Drohnen auf. Die Lage wird dann katastrophal, wenn nach dem scheinbaren Frühling plötzlich der Winter kommt. Was zwangsweise so sein wird.

Mögliche Maßnahmen und deren Erfolgsaussichten und Umsetzbarkeit

  • Spezielle Zwischenfruchtmischungen: Sie sollen ihre Blüte Mitte September beenden, oder ab Mitte September nicht zur Blüte kommen. Erste Tastversuche in diese Richtung zeigten wenig optimistisch stimmende Erfolge. Gründe: Der Anbauzeitpunkt ist wegen unterschiedlicher Vorfrüchte sehr unterschiedlich. Vor allem aber ist zum Zeitpunkt des Anbaues der blütebestimmende Witterungsverlauf (Temperatur) von September bis in den November nicht vorhersehbar! Der Herbst 2018 zeigt exemplarisch, dass später angebaute Mischungen, die bei „normaler“ Herbstwitterung eigentlich im Oktober nicht mehr blühen sollten, derzeit (Anfang November!) in Vollblüte stehen. Daher: Spezielle Zwischenfruchtmischungen dürften keine geeignete Maßnahme sein.
Verhinderung der Vollblüte durch zeitgerechte Massereduktion in der Zwischenfrucht
© Peter Frühwirth
  • Massereduktion des Zwischenfruchtbestandes: Reduktion bzw. Zerstörung des Aufwuchses knapp vor Beginn der Vollblüte (außerhalb des Bienenfluges), beginnend ab Mitte September oder später, sobald diese Bestandesentwicklung erreicht wird. Das ist die einzige Maßnahme, die die Bienenvölker vor einer vollkommenen Entgleisung ihres Entwicklungsrhythmus bewahren kann. Einzelne Restblüten haben keine negativen Auswirkungen (siehe Bild 3 bis 5). Bei entsprechender Bearbeitungshöhe bleit der Begrünungscharakter erhalten. Ebenso auch die unkrautunterdrückende Abdeckung des Bodens. Diese blüteregulierende Maßnahme sollte zum Schutz der Bienen im nächsten ÖPUL aufgenommen werden!
  • Abtransport der Bienenvölker: in hoch gelegene Regionen ohne Zwischenfruchtanbau. In der Praxis nicht umsetzbar. Zudem ist diese Maßnahme mit sehr hohem Aufwand verbunden (Suche nach neuen Aufstellungsplätzen; Zeitaufwand; Personalaufwand; hohe Folgekosten durch die Betreuung auf weit entfernten Standorten, Varroabekämpfung, Kontrollfahrten usw.). Viele Standimker (meist kleine Hobbyimker) haben gar keine Möglichkeit, ihre Völker zu verstellen. Zudem zusätzliche Belastung des Images der Landwirtschaft: „Flucht aus dem Ackerbaugebiet“ und Zunahme der Spannungen zwischen Landwirtschaft und Imkerei.

Landwirte haben keine Schuld

Die Landwirte haben an dieser Spätherbst-Situation absolut keine Schuld! Die Imkerei muss dankbar sein für Zwischenfrüchte, die von Ende Juli bis Mitte September hinein blühen. Sie sind für die optimale Entwicklung der Bienenvölker sehr wertvoll.
Vielmehr ist wahrscheinlich die klimawandelbedingte Temperatursituation die Ursache der Problematik. Wenn diese langandauernden Warmphasen von September bis in den November hinein nicht wären, dann würden einerseits die Zwischenfrüchte nicht, oder nicht so massiv, blühen. Und vor allem die Bienen hätten dann die notwendige abnehmende Temperatursumme und würden die Bruttätigkeit gemäß dem über die Evolution entwickelten Verhaltensmuster reduzieren bzw. einstellen.
So wie künftig in anderen Bereichen des Pflanzenbaues auf den Klimawandel reagiert werden muss, so ist wird unter Umständen auch die Massereduktion zu einer Maßnahme werden, die durch den Klimawandel notwendig sein wird.

Vollversion

Die Vollversion zu diesem Thema, mit Fotodokumentation und Pollenanalyse eines Oktober-Honigs, finden Sie hier zum Download.

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